Die Bundesregierung plant weitere Ergänzungen des Art 240 EGBGB mit erheblichen Folgen für Kunden von Musik-, Kultur-, Sport- und sonstigen Freizeitveranstaltungen.

Nach den bereits zum 01.04.2020 in Kraft getretenen Sonderregelungen für Dauerschuldverhältnisse, Mietverhältnisse und Darlehensvertrage ist nun eine Ergänzung des Art 240 EGBGB um einen § 5 geplant. Hintergrund ist, dass ein Großteil der Musik-, Kultur-, Sport- und sonstigen Freizeitveranstaltungen in den letzten Wochen abgesagt werden mussten und Freizeiteinrichtungen geschlossen wurden. Bereits erworbene Eintrittskarten können dadurch nicht mehr eingelöst werden.

Nach derzeitigem Recht sind die Inhaber solcher Eintrittskarten berechtigt, die Erstattung des Entgeltes zu verlangen, da die Leistungserbringung unmöglich geworden ist, § 326 I, IV. 275 BGB.

Dies kann bei Veranstaltern zu erheblichen Liquiditätsengpässen führen. Die Bundesregierung fürchtet nun um die Existenz dieser Unternehmen. Derzeit wird daher eine „Gutscheinlösung“ diskutiert, wonach Veranstalter von Freizeitveranstaltungen berechtigt sein sollen, den Inhabern der Eintrittskarten einen Gutschein zu übergeben, statt den Eintrittspreis zu erstatten. Die bisherige gesetzliche Regelung soll daher insoweit ausgehebelt werden. Der derzeitige Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht, der durch die Bundesregierung als Formulierungshilfe veröffentlicht wird, sieht daher eine Ergänzung in Art 240 EGBGB um einen § 5 vor, der wie folgt lauten soll:

 § 5 Gutschein für Freizeitveranstaltungen und Freizeiteinrichtungen

(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. Umfasst eine solche Eintrittskarte oder sonstige Berechtigung die Teilnahme an mehreren Freizeitveranstaltungen und konnte oder kann nur ein Teil dieser Veranstaltungen stattfinden, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einen Gutschein in Höhe des Wertes des nicht genutzten Teils zu übergeben.

(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.

(3) Der Wert des Gutscheins muss den gesamten Eintrittspreis oder das gesamte sonstige Entgelt einschließlich etwaiger Vorverkaufsgebühren umfassen. Für die Ausstellung und Übersendung des Gutscheins dürfen keine Kosten in Rechnung gestellt werden.

(4) Aus dem Gutschein muss sich ergeben,

  1. dass dieser wegen der COVID-19-Pandemie ausgestellt wurde und
  2. dass der Inhaber des Gutscheins die Auszahlung des Wertes des Gutscheins unter

einer der in Absatz 5 genannten Voraussetzungen verlangen kann.

(5) Der Inhaber eines nach Absatz 1 oder 2 ausgestellten Gutscheins kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn

  1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände

unzumutbar ist oder

  1. er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.

 

Diese Regelung führt – wenn Sie in Kraft treten sollte – faktisch zu einer Kreditierung zu Gunsten der Veranstalter. Der Kunde muss auf eine Rückzahlung verzichten, um die Liquidität des Veranstalters nicht zu gefährden und wird jedenfalls bis zum 31.12.2021 auf eine spätere, möglicherweise andere Veranstaltung verwiesen. Die Formulierungshilfe stellt diese Regelung unter „C. Alternativen“ als alternativlos dar. Betrachtet man dies alleine mit Blick auf die bisherige gesetzliche Regelung, wird dies in zahlreichen Fällen zutreffend sein, bliebe dem Kunden doch im Falle einer Insolvenz des Veranstalters nur die Anmeldung seiner (Rück-) Forderung zur Insolvenztabelle. Angesichts der zahlreichen Finanzhilfen für Unternehmen erscheinen die Regelungen dennoch nicht gänzlich alternativlos. Statt staatlicher Hilfen – etwa in Form von Darlehen – werden nun die Verbraucher zu Kreditgebern der Veranstalter. Auch soweit die Formulierungshilfe davon ausgeht, dass nur für die Wirtschaft ein Erfüllungsaufwand entstehe, nicht aber für Bürgerinnen und Bürger, ist dies nicht in Gänze zutreffend. Die Gutscheinlösung führt zu einem zinslosen Darlehen an den Veranstalter, was – auch in einer Niedrigzinsphase – dennoch als Aufwand betrachtet werden kann. Ob am Ende Mehrkosten für die Kunden entstehen, bleibt abzuwarten. So ist es durchaus denkbar, dass die ersatzweise angebotenen Veranstaltungen anders bepreist werden und der Kunden einen Aufschlag wird zahlen müssen.

Kunden werden sich daher darauf einstellen müssen, künftig statt einer Erstattung einen Gutschein zu erhalten.

Betroffen sind Eintrittskarten, die vor dem 8.03.2020 erworbenen wurden. Nicht in den Anwendungsbereich fallen nach der derzeitigen Konzeption Veranstaltungen, die im beruflichen Kontext erfolgten, wie etwa Fortbildungen. Hier sollen Selbstständige, Freiberufler und kleine Betriebe infolge einer Bindung ihrer Liquidität nicht so stark belastet werden.

Ein kleiner Trost bleibt: Inhaber eines Gutscheins könne die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen, wenn ihnen die Annahme des Gutscheins aufgrund der persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar ist oder der Gutschein nicht bis zum 31.12.2021 eingelöst wurde.  

Update:

Der Bundestag hat am Mittwoch, 22.04.2020, in erster Lesung den Gesetzentwurf zum Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht (19/18697) beraten. Der Entwurf von CDU/CSU und SPD (BT Drucksache 19/18697) wurde in die Ausschüsse verwiesen, sieht aber die Ergänzung des Art. 240 EGBGB um den bereits besprochenen § 5 vor.

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