Welche Auswirkungen haben die gesetzlichen Änderungen auf vertragliche Regelungen, so etwa Mietverhältnisse, Darlehen oder sonstige Dauerschuldverhältnisse?

Mit Wirkung vom 01.04.2020 wurde durch Gesetz vom 27.03.2020 - im Eilverfahren - Art 240 EGBGB neu eingeführt. Er regelt in § 1 - 3 umfassend zeitlich begrenzte Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie.

 

1. Moratorium

Die Regelungen in § 1 zu Art 240 EGBGB gibt Verbrauchern und Kleinunternehmern zunächst Leistungsverweigerungsrechte an die Hand. Im Einzelnen:

 

a) Leistungsverweigerungsrechte für Verbraucher

Art 240 EGBGB, § 1 Abs. 1 lautet wie folgt:

 

Ein Verbraucher hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind.

 

Angesprochen sind damit zunächst nur Verbraucher. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, § 13 BGB.

 

Weiter muss ein Verbrauchervertrag vorliegen, der als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren ist und vor dem 08.03.2020 abgeschlossen wurde. Damit werden zunächst alle Verträge ausgeschlossen, die nach dem 08.03.2020 datieren. Weiter muss es sich um ein Dauerschuldverhältnis handeln. Auf eine Definition dieses Begriffs verzichtet sowohl Art 240 EGBGB, als auch das BGB. Allerdings ist der Begriff schon an anderen Stelle, so etwa in § 314 BGB und § 308 Nr. 3, § 309 Nr. 1 und 9 BGB zu finden. Kennzeichnend für ein Dauerschuldverhältnis ist nach bisheriger Rechtsprechung, dass während der Laufzeit fortwährend neue Leistungs- und/oder Schutzpflichten entstehen.

 

Nach § 1 Abs. I S. 2 muss das Dauerschuldverhältnis wesentlich sein. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind, § 1 Abs. 1 S. 3. Hierunter fallen etwa Versorgungsverträge über die Belieferung mit Strom, Gas und – soweit privatrechtliche organisiert – mit Wasser.

 

Weiter muss die Erbringung der Leistung, im Regelfall also die Zahlung, für den Verbraucher dazu führen, dass er seinen angemessenen Lebensunterhalt oder den angemessenen Lebensunterhalt seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährdet. Hier genügt nach dem Wortlaut des Gesetzes bereits die Gefährdung, so dass es nicht darauf ankommt, ob dies tatsächlich zu einer Beeinträchtigung kommt. Allerdings muss dies auf Umstände zurückzuführen sein, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind. Es muss sich also ein Zusammenhang mit der Pandemie herstellen lassen.

 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Verbraucher ein Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30.06.2020 geltend machen. Erforderlich ist hierzu eine Erklärung des Verbrauchers.

 

b) Leistungsverweigerungsrechte für Kleinstunternehmer

Art 240 EGBGB, § 1 Abs. 2 lautet wie folgt:

Ein Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,

1.das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder

2.dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

 

Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.

 

Diese Regelung ist im Wesentlichen dem Absatz 1 nachgeformt.

 

Solche Rechte stehen nur „Kleinstunternehmen“ zu. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, handelt es sich hier nicht nur um „Ein-Mann-Betriebe“. Es wird auf die Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 verwiesen. Durch diesen Verweis sind Kleinstunternehmen - unabhängig von der Rechtsform - als ein Unternehmen definiert, das weniger als 10 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. EUR nicht überschreitet.

 

Auch hier muss ein Dauerschuldverhältnis vor dem 08.03.2020 begründet worden sein. Die Frage der Wesentlichkeit wird dagegen anders beantwortet als in Abs. 1. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind nach S. 3 solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.

 

Sodann muss das Unternehmen infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die eigene Leistung nicht erbringen können. Zu denken ist hier etwa an Lieferengpässe. Alternativ besteht ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre. Hier wird wohl die Zahlung von Rechnungen im Vordergrund stehen.

 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Kleinstunternehmer ein Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30.06.2020 geltend machen. Erforderlich ist hierzu eine Erklärung des Unternehmers.

 

c) Ausschluss des Leistungsverweigerungsrecht

Nach Art 240 § 1 Abs. 3 EGBGB sind aber auch die Gegenausnahmen zu beachten. Sowohl das Leistungsverweigerungsrecht nach Abs. 1, als auch das nach Abs. 2 können ausgeschlossen sein, wenn die Ausübung für den anderen Vertragspartner unzumutbar ist. In solchen Fällen gewährt Abs. 3 S. 3 dann ein (Sonder-) Kündigungsrecht.

 

Ausgeschlossen von der Regelung sind auch Miet- und Pachtverträge sowie Darlehensverträge und arbeitsrechtliche Ansprüche.

 

2. Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen

Die Regelungen in § 2 zu Art 240 EGBGB gilt unabhängig davon, ob ein Verbraucher Mieter ist oder ein Unternehmer.

 

Nach § 2 I kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.

 

Schon nach dem Wortlaut ist die Vorschrift nicht nur auf Wohnraummietverhältnisse beschränkt, sondern gilt auch für Gewerbemietverträge und nach Abs. 3 auch für Pachtverträge. Auch an den Nachweis des Zusammenhangs mit der COVID-19-Pandemie werden nur geringere Hürden geknüpft. Hier soll die Glaubhaftmachung genügen. Dies wird, etwa bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen der Fall sein. Durch den Verweist auf § 294 ZPO kann der Nachweis auch über eine eidesstattliche Versicherung erbracht werden (Schmidt-Kessel/Möllnitz NJW 2020, 1103).

 

Betroffen sind die Mieten, die in der Zeit vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 fällig werden.

 

Zu beachten ist aber, dass Kündigungen jenseits des Zahlungsverzuges weiterhin möglich sind. Auch soweit der Zahlungsverzug nicht im Zusammenhang mit der  COVID-19-Pandemie steht, etwa weil er bereits vorher bestanden hat, ist die Kündigung möglich.

 

Die Regelung läuft zum 30.06.2022 aus.

 

3. Regelungen zum Darlehensrecht

 Für Verbraucherdarlehensverträge sieht Art 240 § 3 I EGBGB eine Stundung vor wie folgt:

 

Für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist ihm die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist. Der Verbraucher ist berechtigt, in dem in Satz 1 genannten Zeitraum seine vertraglichen Zahlungen zu den ursprünglich vereinbarten Leistungsterminen weiter zu erbringen. Soweit er die Zahlungen vertragsgemäß weiter leistet, gilt die in Satz 1 geregelte Stundung als nicht erfolgt.

 

Betroffen sind hier nur Verträge, die vor dem 15.03.2020 geschlossen wurden und ausschließlich Verbraucherdarlehensverträge.

 

Weiter muss der Verbraucher Einnahmeausfälle – so etwa aufgrund von Kurzarbeit – haben, die Ihre Ursache in der COVID-19-Pandemie haben.  Diese Einnahmeausfälle müssen dazu führen, dass dem Verbraucher die Zahlung der Raten unzumutbar wird. Auch hier wird auf die Gefährdung des eigenen angemessenen Lebensunterhaltes oder des angemessenen Lebensunterhaltes der Unterhaltsberechtigten abgestellt.

 

Sind die Voraussetzungen erfüllt, werden die Darlehensraten, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, für die Dauer von 3 Monaten gestundet. Der Verbraucher ist aber berechtigt, die Darlehensraten weiter zu zahlen.

 

Absatz 3 regelt weiter einen umfassenden Kündigungsausschluss, etwa, weil sich die Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit verschlechtert haben.

 

Sodann soll nach Abs. 4 eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Kommt diese nicht zu Stande verlängert sich nach Abs. 5 der Vertrag um 3 Monate. Die gestundeten Raten werden damit „hinten angehangen“.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.