Der BGH hat entschieden, dass der Tatbestand des Betruges erfüllt sein kann, wenn ein ambulanter Pflegedienst eine Leistung durch Mitarbeiter erbringen lässt, die nicht die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufweisen.

Die Angeklagte betrieb einen ambulanten Pflegedienst. Zu Betreuung eines Wachkomapatienten traf sie mit dessen Kranken- und Pflegekasse eine Vereinbarung, in der sie sich verpflichtete, für die Pflege des Patienten nur Personal mit einer Fachausbildung für Intensivpflege einzusetzen. Tatsächlich wurden die Pflegeleistung dann aber ausschließlich von Personen erbracht, die nicht über die vereinbarte Qualifikation verfügten. Hierfür rechnet die Angeklagte gegenüber der Kasse im Laufe von zwei Jahren insgesamt ein Betrag von fast 250.000 € ab. Der Patient wurde vom Personal der Angeklagten gut versorgt. Ein unzureichender Pflegezustand konnte nicht festgestellt werden. Das Landgericht verurteilte die Angeklagte wegen Betrugs zum Nachteil der Kranken- und Pflegekasse. Das Urteil hat auch in der Revision vor dem Bundesgerichtshof Bestand.

 

Nach Ansicht des 4. Strafsenats hat die Angeklagte beim Einreichen der Rechnung jeweils konkludent darüber getäuscht, dass die Pflegeleistungen nicht von vereinbarungsgemäß qualifizierten Pflegekräften erbracht worden waren. Dadurch sei der Kranken- und Pflegekasse auch ein Vermögensschaden entstanden. Die Kasse sei nicht zur Zahlung der in Rechnung gestellten Beiträge verpflichtet gewesen. Das Unterschreiten der vertraglich vereinbarten Qualifikation führe nach den insoweit maßgeblichen sozialrechtlichen Grundsätzen zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs. Die Abrechenbarkeit von Leistungen knüpft streng an die formale Qualifikation des Personals an. Denn andernfalls wären für die Kassen eine den praktischen Erfordernissen entsprechenden Qualitätskontrolle nicht möglich. Dem Leistungserbringer steht daher bei einem Verstoß gegen entsprechende vertraglichen Vereinbarungen selbst dann keine Vergütung zu, wenn die Leistung im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind. Die Verfassungsmäßigkeit dieser sozialrechtlichen Vorgaben hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich bestätigt. Da somit überhaupt kein Vergütungsanspruch der Angeklagten bestand, ist der Kasse durch ihre Zahlung auch ein wirtschaftlicher und nicht lediglich ein normativer Schaden entstanden. Darüber hinaus sind die erbrachten Leistung für die Kasse auch deswegen wirtschaftlich wertlos gewesen, als eine hinreichende Versorgung des Patienten durch die nicht ausreichend qualifizierten Kräfte der Angeklagten gar nicht möglich gewesen ist. Diese waren nämlich für eine Notfallsituation, in der einer Beatmung des Patienten notwendig gewesen wäre, überhaupt ausgebildet. Dass die Kasse infolge der Leistungen der Angeklagten von ihrer Leistung sich gegenüber dem Patienten befreit wurde, steht laut BGH der Annahme eines endgültigen Vermögensschadens ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass sie sich dadurch die Beauftragung eines anderen Pflegedienst erspart hat.

 

Anm.:

Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung das Abstellen auf rein formale sozialversicherungsrechtliche Kriterien bei der Schadensfeststellung in Fällen des Abrechnungsbetrugs. Nach Ansicht des Senats ist dies mit den bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben vereinbar, wonach die Schadensberechnung beim Betrug primär anhand wirtschaftlicher Gesichtspunkte zu erfolgen hat, die nicht durch normativer Erwägung verdrängt oder überlagert werden dürfen. Ob aber das Verfassungsgericht wirklich in einem strafrechtlichen Ausgangsverfahren die Annahme eines Schadens bejahen würde, bleibt eine offene Frage. Da gerade die wirtschaftliche Betrachtungsweise hier gegen ein Schaden spricht.

 

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