Das Bundesverfassungsgericht hat erneut eine Übergangsregelung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren für verfassungswidrig erklärt.
Überblick über alte und neue Regelung zum Anrechnungsverfahren
Nach dem bis Ende 2000 geltenden Anrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschüttete steuerbare Gewinne von Körperschaften mit (zuletzt) 40% Körperschaftsteuer belastet (Tarifbelastung). Kam es später zu Gewinnausschüttungen, reduzierte sich der Steuersatz auf (zuletzt) 30% (Ausschüttungsbelastung). Für die Körperschaft entstand so ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung, zuletzt also in Höhe von zehn Prozentpunkten. Steuerfreie Vermögensmehrungen der Körperschaft wurden dagegen zum Teil bei einer Ausschüttung mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30% nachbelastet, enthielten also ein Steuererhöhungspotenzial. § 36 KStG ist Teil der Übergangsvorschriften, die den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren regeln. Danach wurden die unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten, unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten und die nicht belasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in mehreren Schritten zusammengefasst und umgegliedert. Das in den verbleibenden belasteten Eigenkapitalteilen enthaltene Körperschaftsteuerminderungspotenzial wurde in ein Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer mehrjährigen Übergangszeit abgebaut werden konnte. Die jetzt von den Verfassungsrichtern geprüfte Regelung in § 36 Abs. 6a KStG sieht die Umgliederung des mit 45% vorbelasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40% vorbelastetes Eigenkapital (EK 40) vor; gleichzeitig wird ein positiver, nicht mit Körperschaftsteuer vorbelasteter Eigenkapitalteil (EK 02) verringert, bis er verbraucht ist. Bei dieser Umgliederung kann es laut Gericht zu einem Verlust von im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbarem Körperschaftsteuerminderungspotenzial kommen, ohne dass dies durch die Verringerung eines im EK 02 ruhenden und im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbaren Körperschaftsteuererhöhungspotenzials ausgeglichen wird.
Verwendbares Eigenkapital in verschiedene "Eigenkapitaltöpfe" gegliedert
Während der Geltung des Anrechnungsverfahrens wurde im konkreten Fall das verwendbare Eigenkapital (vEK) der Gesellschaft entsprechend seiner Vorbelastung mit Körperschaftsteuer in verschiedene "Eigenkapitaltöpfe" (EK) gegliedert. Eine Belastung des einbehaltenen Gewinns mit 45 % wurde im sogenannten EK 45 vermerkt, eine Belastung mit 40% im "EK 40". Diese belasteten Eigenkapitalteile enthielten ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung. Steuerfreie Vermögensmehrungen wurden im "EK 0" erfasst. Letzteres unterteilte sich in die nach Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien ausländischen Gewinne und Verluste (EK 01), Altrücklagen aus den Jahren vor 1977 (EK 03), offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter (EK 04) sowie sonstige der Körperschaftsteuer nicht unterliegende Vermögensmehrungen (EK 02). Das EK 02 und das EK 03 wurden bei einer Ausschüttung mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30% nachbelastet, sie enthielten also ein Körperschaftsteuererhöhungspotenzial.
Erste Übergangsregelung 2009 gekippt
Den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren gestaltete der Gesetzgeber durch die mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 neu in das KStG eingefügten §§ 36 bis 40 KStG. Gemäß § 36 KStG wurden die unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des Eigenkapitals in mehreren Umrechnungsschritten zusammengefasst und umgegliedert und die so ermittelten Endbestände gesondert festgestellt. Diese Feststellung bildete die Grundlage für die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 1 KStG einerseits und der Nachbelastung mit Körperschaftsteuer gemäß § 38 KStG andererseits. Mit Beschluss vom 17.11.2009 (NZG 2010, 832) erklärte das BVerfG § 36 Abs. 3 und 4 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes für mit dem GG unvereinbar, soweit die Regelung durch die Umgliederung von EK 45 in EK 40 unter gleichzeitiger Verringerung des EK 02 zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte.
Gesetzgeber reagiert mit Änderung der Übergangsvorschriften
Daraufhin änderte der Gesetzgeber mit dem JStG 2010 die Übergangsvorschriften der §§ 36 und 37 KStG durch Einfügung von §§ 34 Abs. 13f, 13g KStG. Nach der Neuregelung wurde die vorrangige Umgliederung von EK 45 in EK 40 durch § 36 Abs. 3 KStG gestrichen. Gemäß § 36 Abs. 4 bis 6 KStG findet zunächst in mehreren Schritten eine Verrechnung belasteter und unbelasteter Eigenkapitalteile statt. Daran schließt sich im letzten Schritt gemäß § 36 Abs. 6a KStG die Umgliederung des EK 45 in EK 40 unter gleichzeitiger Verringerung des EK 02 an, sofern nach den vorgenannten Verrechnungsschritten ein positiver Teilbetrag des EK 02 verblieben ist. Dieser wird zunächst um 5/22 eines positiven Bestands an EK 45, jedoch maximal bis auf null vermindert und das EK 45 entsprechend erhöht. In Höhe von 27/5 des Betrags, um den das EK 02 gemindert worden ist, wird sodann das EK 40 erhöht und das EK 45 vermindert. Damit wird – anders als nach § 36 Abs. 3 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes – vermieden, dass das EK 02 durch die Umgliederung negativ wird und die anschließende Verrechnung mit belasteten Eigenkapitalteilen umgliederungsbedingt zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt.
FG sieht Klärungsbedarf und legt Sache BVerfG vor
Bei der Klägerin des Ausgangsverfahrens, einem Kreditinstitut in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft, führte die Feststellung der Endbestände des vEK gemäß § 36 Abs. 7 KStG durch das Finanzamt aufgrund der Regelung in § 36 Abs. 6a KStG zu einer Verringerung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 1 KStG gegenüber dem im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Das Finanzgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 36 Abs. 6a KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist (BeckRS 2015, 94057). Die Verfassungsrichter haben dies bejaht.
Verweis auf allgemeine Grundsätze zum Eigentumsschutz
Das BVerfG wies zunächst darauf hin, dass der Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur das zivilrechtliche Sacheigentum, sondern auch andere dingliche und sonstige gegenüber jedermann wirkende Rechte sowie schuldrechtliche Forderungen umfasse; der Schutz sei nicht auf bestimmte vermögenswerte Rechte beschränkt. Geschützt seien aber nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht jedoch bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten. Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum sei dabei im Wesentlichen durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsfähigkeit über das Eigentumsobjekt gekennzeichnet. Vermögenswerte öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen seien in den Schutz der Eigentumsgarantie einbezogen, wenn sie eine Rechtsstellung begründen, die der des Eigentums entspreche und die so stark sei, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des GG widersprechen würde. Hierfür sei neben der Privatnützigkeit der Rechtsposition und einer zumindest eingeschränkten Verfügungsbefugnis des Inhabers insbesondere von Bedeutung, inwieweit eine derartige Rechtsstellung sich als Äquivalent eigener Leistung erweise, so die Verfassungsrichter.
Angesammeltes Körperschaftsteuerminderungspotenzial durch Art. 14 GG geschützt
Davon ausgehend unterfalle das noch unter dem Anrechnungsverfahren angesammelte Körperschaftsteuerminderungspotenzial in dem Umfang, in dem es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Denn es erfülle die Kriterien der Privatnützigkeit und jedenfalls eingeschränkten Verfügbarkeit. Ferner beruhe es auf einer eigenen Leistung der Körperschaft, weil es sich aus der von dieser in Höhe der Tarifbelastung entrichteten Körperschaftsteuer ableite. Soweit es im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbar war, handele es sich bei dem Körperschaftsteuerminderungspotenzial auch nicht lediglich um eine bloße Chance oder zukünftige Verdienstmöglichkeit, sondern um eine vermögenswerte Rechtsposition, die der Körperschaft bereits zustand und bezifferbar war.
Eingriff durch Gesetzgeber unterliegt verfassungsrechtlichen Schranken
Die Eigentumsgarantie gebiete aber nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen, stellten die Karlsruher Richter weiter klar. Der Gesetzgeber könne, wenn sich eine Reform des geltenden Rechts als notwendig erweist, vor der Entscheidung stehen, bisher eingeräumte rechtliche Befugnisse zu beseitigen oder zu beschränken. Im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sei er bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets zur Umgestaltung individueller Rechtspositionen im Wege einer angemessenen und zumutbaren Überleitungsregelung befugt. Zu beachten seien aber die verfassungsrechtlichen Schranken. Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte müsse mit Blick auf die in Art. 14 Abs. 1 GG enthaltene subjektive Rechtsstellungsgarantie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Darüber hinaus sei der Gesetzgeber an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten gebunden, so die Verfassungsrichter. Nach diesen Maßstäben sei der beanstandete § 36 Abs. 6a KStG mit dem GG nicht vereinbar, so die Richter.
Regelung führt zu Reduzierung des Minderungspotenzials
Denn in das im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren bestehende, im EK 45 gespeicherte und realisierbare Körperschaftsteuerminderungspotenzial greife § 36 Abs. 6a KStG je nach Eigenkapitalstruktur ein. Denn das unter dem Anrechnungsverfahren im positiven EK 45 gespeicherte Körperschaftsteuerminderungspotenzial habe bei einer Vollausschüttung wegen der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 nur dann nicht oder nicht vollständig realisiert werden können, wenn die Summe aller übrigen Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals negativ war. In allen anderen Fällen habe § 36 Abs. 6a KStG eine Verringerung des unter dem Übergangsrecht noch realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials zur Folge. Die Umgliederung von EK 45 in EK 40 gemäß § 36 Abs. 6a Satz 2 KStG führe zwar zu einem höheren Bestand an EK 40, dieses enthalte aber mit 1/6 nur ein geringeres Minderungspotenzial als das EK 45, bei dem das Minderungspotenzial 15/55 des Teilbetrags betrage. Dadurch trete insgesamt eine Reduzierung des Minderungspotenzials ein, so die Verfassungsrichter.
Rechnerischer Ausgleich nicht immer vorteilhaft
Der Verlust an Körperschaftsteuerminderungspotenzial wird laut BVerfG zwar rechnerisch kompensiert durch die gleichzeitige entsprechende Reduktion von EK 02 und damit des darin enthaltenen Körperschaftsteuererhöhungspotenzials. Nach § 36 Abs. 6a Satz 1 KStG verringere sich der Bestand des EK 02 um 5/22 des Bestands an EK 45 bis zum Verbrauch des EK 02. Da die Verrechnung auf den positiven EK 02-Bestand beschränkt sei, entspreche die umgliederungsbedingte Reduktion des unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten Körperschaftsteuerminderungspotenzials stets der umgliederungsbedingten Reduktion des Körperschaftsteuererhöhungspotenzials, so die Verfassungsrichter. Jedoch bleibe infolge der Regelung des § 36 Abs. 6a KStG nur der Saldo aus Körperschaftsteuerminderungs- und -erhöhungspotenzial identisch, nicht das Körperschaftsteuerminderungspotenzial als solches. Die Regelung ziehe deshalb ungeachtet des rechnerischen Ausgleichs unter zwei Aspekten eine gegenüber dem Anrechnungsverfahren nachteilige Veränderung nach sich.
Zwei Nachteile gegenüber Anrechnungsverfahren aufgezeigt
Zum einen bewirke die Verrechnung mit EK 45 eine zwangsweise Nachbelastung des EK 02 mit 30%, während die Nachbelastung unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens nur bei einer tatsächlichen Ausschüttung erfolgt sei. Die betroffenen Körperschaften konnten laut BVerfG also durch eine entsprechende Steuerung des Ausschüttungsverhaltens das Körperschaftsteuerminderungspotenzial realisieren, ohne dass zugleich eine Körperschaftsteuererhöhung anfiel. Zum anderen wäre auch bei einer unterstellten Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels EK 02 nur in dem Umfang nachbelastet worden, in dem der Bestand in diesem Zeitpunkt als zur Ausschüttung verwendet gegolten hätte. Das hänge davon ab, ob negative Teilbeträge des vEK zu einer Ausschüttungssperre geführt hätten und gegebenenfalls welche Bestandteile des vEK nach der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 30 KStG 1999 davon betroffen gewesen wären, so Gericht. Da EK 02 gegenüber den belasteten Teilbeträgen des vEK nachrangig war, sei nicht ausgeschlossen, dass bei einer Vollausschüttung zwar Körperschaftsteuerminderungspotenzial realisiert worden wäre, dagegen nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang Körperschaftsteuererhöhungspotenzial. Dies bleibe bei der Verrechnungsregelung des § 36 Abs. 6a KStG, die allein an den verbliebenen Bestand an EK 02 anknüpft, unberücksichtigt, monierten die Verfassungsrichter. Eine Konzentration auf den Teil des EK 02, der bei einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels verwendet worden wäre, wird laut BVerfG auch nicht durch die nach § 36 Abs. 4 bis 6 KStG vorausgehenden Schritte zur Ermittlung der Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gewährleistet.
BVerfG: Zielsetzung zwar legitim
Der in der beschriebenen belastenden Wirkung von § 36 Abs. 6a KStG liegende Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Körperschaftsteuerminderungspotenzial ist laut BVerfG nicht gerechtfertigt. Zwar habe der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Übergangsvorschriften legitime Ziele verfolgt. Er habe die Entscheidung des BVerfG von 2009 umsetzen, zugleich aber soweit möglich an dem bisherigen System des Übergangsrechts festhalten wollen. Auch habe der Übergang vom alten zum neuen Körperschaftsbesteuerungssystem von Anfang an möglichst einfach abgewickelt werden sollen. Teil der Vereinfachung sei das Bestreben des Gesetzgebers gewesen, die EK-Konten vom Beginn des Übergangs an auf den dafür absolut erforderlichen Umfang zu reduzieren, nämlich auf einen mit 40% belasteten Eigenkapitalanteil, anhand dessen das Körperschaftsteuerguthaben ermittelt wird (§ 37 Abs. 1 KStG), einen unbelasteten Eigenkapitalanteil (früheres EK 02), dessen Ausschüttung zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer um 3/7 der Gewinnausschüttung führt (§ 38 KStG), und ein steuerliches Einlagekonto (§ 27 KStG, vormals EK 04). Grundsätzlich legitim war laut Gericht auch die nicht ausdrücklich als gesetzgeberisches Ziel formulierte, der Sache nach aber verwirklichte Zwangsrealisation eines im positiven EK 02 ruhenden Körperschaftsteuererhöhungspotenzials durch Verrechnung mit im EK 45 enthaltenem Körperschaftsteuerminderungspotenzial derselben steuerpflichtigen Körperschaft.
§ 36 Abs. 6 a KStG nur teilweise zu Erreichung der Ziele geeignet
§ 36 Abs. 6a KStG sei aber nur teilweise geeignet, diese genannten Ziele zu erreichen, stellte das Verfassungsgericht fest. Mit der Regelung seien zwar die angestrebte Reduktion der Teilbeträge des belasteten verwendbaren Eigenkapitals auf EK 40 und eine weitgehende Eliminierung des EK 02 erreicht worden, wenn in hinreichendem Umfang positives EK 02 zur Verrechnung mit EK 45 zur Verfügung stand. In allen Fällen, in denen der EK 02-Bestand nach Anwendung von § 36 Abs. 4 bis 6 KStG geringer als 5/22 des EK 45-Bestands war, sei aber auch danach ein mit 45% vorbelastetes Eigenkapitalkonto bestehen geblieben. Der Vereinfachungseffekt sei dadurch insgesamt nicht unerheblich beeinträchtigt worden. Auch zum (vollständigen) Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials sei die Regelung nicht uneingeschränkt geeignet gewesen. Erhalten worden sei allenfalls der Saldo aus Körperschaftsteuerminderung und -erhöhung. Denn der nach Verrechnung von EK 45 und EK 02 verbleibende erhöhte Bestand an EK 40 wies ein geringeres Minderungspotenzial auf als der Ausgangsbestand an EK 45. Die gleichzeitige Minderung des EK 02 habe jedenfalls insoweit keinen legitimen und für die Steuerpflichtigen zumutbaren Ausgleich dargestellt, als das darin ruhende Körperschaftsteuererhöhungspotenzial im Zeitpunkt des Systemwechsels nicht realisierbar gewesen wäre, weil EK 02 bei einer Vollausschüttung infolge einer handelsrechtlichen Ausschüttungssperre nach Maßgabe von § 28 Abs. 3 KStG 1999 nicht zur Verwendung gekommen wäre.
Gesetzgeber hätte einfachere Regelung zur Verfügung gestanden
Zur Vereinfachung des Übergangs und zum Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials war laut Gericht der Verrechnungsschritt des § 36 Abs. 6a KStG – selbst wenn man ihn als dafür zumindest teilweise geeignet betrachtet – jedenfalls nicht erforderlich. Der Gesetzgeber hätte eine ebenso einfache Abwicklung unter vollständigem Erhalt des (realisierbaren) Körperschaftsteuerminderungspotenzials dadurch erreichen können, dass er das Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 KStG unmittelbar aus den zum Stichtag vorhandenen Teilbeträgen des belasteten Eigenkapitals, dem EK 45 und dem EK 40, gebildet hätte, ohne zuvor die Umgliederung von EK 45 vorzunehmen. Es hätte lediglich der Endbestand beider Teilbeträge zum Stichtag jeweils gesondert festgestellt werden müssen. Auch bei dieser Lösung wäre eine anschließende Saldierung von Körperschaftsteuerguthaben und -erhöhung für die einzelnen Steuerpflichtigen ohne Weiteres durchzuführen gewesen, so das BVerfG.
Nachteile für Unternehmen mit EK 45 bejaht
Davon unabhängig war laut BVerfG § 36 Abs. 6a KStG mit der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Festlegung und Beschränkung von Eigentümerbefugnissen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar. Denn das EK 45 unterscheide sich nicht wesentlich vom EK 40. Beide seien Teilbeträge des belasteten vEK, in denen somit Körperschaftsteuerminderungspotenzial enthalten ist. Sie unterschieden sich lediglich – abhängig von ihrem jeweiligen Entstehungszeitpunkt – hinsichtlich der Höhe des in ihnen enthaltenen Körperschaftsteuerminderungspotenzials. Durch die Umgliederungsregelung des § 36 Abs. 6a KStG würden Unternehmen mit umzugliederndem EK 45 schlechter gestellt als Unternehmen mit (von der Umgliederung nicht erfasstem) EK 40. Denn die Umgliederung führe zu einem partiellen Untergang des im EK 45 gespeicherten Körperschaftsteuerminderungspotenzials, während das in dem EK 40 gespeicherte Körperschaftsteuerminderungspotenzial von der Umgliederung gänzlich unbeeinflusst bleibe. Für diese Ungleichbehandlung von EK 40 und EK 45 fehle ein einleuchtender Grund, so die Richter. Bis zu einer Neuregelung dürften Gerichte und Verwaltungsbehörden die Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren seien auszusetzen, teilte das BVerfG abschließend mit (Beschl. v. 06.12.2022 - 2 BvL 29/14).
Quelle: bundesverfassungsgericht.de