I. Alkoholkonsum als Kündigungsgrund

Der Genuss von Alkohol während der Arbeitszeit oder der Antritt der Arbeit im alkoholisierten Zustand kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Beruht der Alkoholkonsum auf einer krankhaften Sucht, so ist die Kündigung nicht verhaltens-, sondern personenbedingt.

1. Verhaltensbedingte Kündigung

a) Konsum trotz Alkoholverbots

aa) Anordnung Alkoholverbot
Jeder Arbeitgeber ist berechtigt, ein absolutes Alkoholverbot anzuordnen, wonach es untersagt ist, während der Arbeitszeit und der Arbeitspausen Alkohol zu konsumieren oder bereits im alkoholisierten Zustand zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen.

Sinnvollerweise sollte dieses Alkoholverbot bereits im Arbeitsvertrag aufgenommen werden.

Dieses Alkoholverbot kann aber auch nachträglich einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden. Dies geschieht häufig durch Anschläge am „Schwarzen Brett“. Der Nachteil hierbei ist jedoch, dass der Arbeitnehmer behaupten kann, von diesem Anschlag keine Kenntnis genommen zu haben. Deshalb empfiehlt sich bei einer nachträglichen Anordnung mit allen Mitarbeitern eine entsprechende vertragliche Vereinbarung abzuschließen.

Ist im Betrieb allerdings ein Betriebsrat eingerichtet, muss mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine entsprechende Betriebsvereinbarung zum Alkoholverbot abgeschlossen werden.

bb) Verstoß gegen Alkoholverbot
Verstößt der Arbeitnehmer gegen dieses absolute Alkoholverbot ist eine verhaltensbedingte Kündigung bereits möglich, ohne dass der Arbeitgeber den Nachweis einer Beeinträchtigung der Arbeitsleistung führen muss.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert aber auch hier nach den allgemeinen Regeln eine Abmahnung bzw. die Prüfung, ob im Einzelfall eine Abmahnung entbehrlich war.

Weiter ist im Rahmen der Interessenabwägung der Umfang der konkreten Störung des Betriebsablaufes zu prüfen.

b) Konsum trotz gesetzlich normierten Verbots

Besteht für eine bestimmte Tätigkeit ein gesetzlich festgelegter Grenzwert (z.B. bei Berufskraftfahrern), so ist eine Überschreitung des Grenzwertes während der Arbeitszeit als verhaltensbedingter Kündigungsgrund anerkannt.

Die Überschreitung des Grenzwertes allein beinhaltet die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, da ein strafbares oder ordnungswidriges Verhalten keinesfalls eine vertragsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstellen kann.

Auch hier ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Notwendigkeit einer Abmahnung zu prüfen und eine Interessenabwägung vorzunehmen. Aufgrund der besonderen Gefährdung anderer Arbeitnehmer und Dritter aufgrund Alkoholgenusses kann aber schon ein einmaliger Verstoß zur Kündigung führen.

c) Alkoholkonsum ohne Verbotsregelung

Besteht im Betrieb keine Regelung hinsichtlich Alkoholkonsums, so ergibt sich zumindest als vertragliche Nebenpflicht, dass der Alkoholgenuss nicht dazu führen darf, dass der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen bzw. dass durch die Alkoholisierung für ihn oder andere Arbeitnehmer ein erhöhtes Unfallrisiko besteht.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer den Alkohol vor Dienstantritt zu sich nimmt oder während der Arbeit.

Je nach Einzelfall kann eine ordentliche, aber auch in gravierenden Fällen eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.

Auch hier ist jedoch die Notwendigkeit einer Abmahnung zu prüfen.

d) Beweislast/Beweisführung

Dem Arbeitgeber obliegt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Nachweis, dass der Arbeitnehmer seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung aufgrund des Alkoholgenusses nicht ordnungsgemäß nachkommen konnte bzw. dass aufgrund der Alkoholisierung für ihn oder andere Arbeitnehmer ein erhöhtes Unfallrisiko bestand.

Dabei ist der Arbeitnehmer aufgrund seines verfassungsgemäß garantierten Grundrechts auf körperliche Integrität nicht verpflichtet, eine Überprüfung seines Blutalkoholwertes vornehmen zulassen oder an einer Atemalkoholanalyse mitzuwirken.

Der Arbeitgeber kann aber aufgrund entsprechender selbst festgestellter oder auf Zeugenaussagen beruhender Indizien (z.B. schwankender Gang, lallender Aussprache, Alkoholfahne usw.) den Nachweis erbringen, dass eine Alkoholisierung vorliegt.

Unterzieht sich der Arbeitnehmer dann freiwillig einer Alkomatmessung, so kann diese bei der Feststellung des Alkoholisierungsgrades sowohl zur Be- wie auch Entlastung des Arbeitnehmers beitragen. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu bieten, einen Alkoholisierungsverdacht durch Alkomatmessung auszuräumen, besteht aber nur, wenn entsprechende Möglichkeiten im Betrieb vorhanden sind, und die vom Arbeitgeber festgestellten Indizien nicht schon ohnehin auf eine Volltrunkenheit hinweisen.

 

2. Alkoholabhängigkeit

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kündigung wegen Alkoholsucht grundsätzlich nur nach den für die krankheitsbedingte Kündigung entwickelten Grundsätzen zu beurteilen.

Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Süchtige in einem Stadium befindet, indem der Trunksucht ein medizinischer Krankheitswert zukommt. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Selbstkontrolle verloren hat, also physisch und psychisch vom Alkohol abhängig ist und deshalb nicht mehr in der Lage ist, die ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

a) Verhaltensbedingte Kündigung

Solange also der Arbeitnehmer noch nicht alkoholkrank ist, kommt (nur) die verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.

Dem alkoholabhängigen Arbeitnehmer, der infolge seiner Abhängigkeit gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstößt, kann wegen der fehlenden Steuerungsmöglichkeit seines Verhaltens zur Zeit der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf gemacht werden.

Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Pflichtverletzungen, die darauf beruhen - z.B. Wegen unentschuldigten Fehlens - ist deshalb in der Regel mangels Verschulden sozialwidrig. Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch bei einem Verstoß des alkoholabhängigen Arbeitnehmers gegen ein wirksam eingeführtes absolutes Alkoholverbot.

Ausnahmsweise kommt aber eine verhaltensbedingte Kündigung dann in Betracht, wenn der Alkoholabhängige während der Arbeitszeit alkoholisiert Tätlichkeiten begeht.

b) Verschuldete Abhängigkeit

Theoretisch kann eine verhaltensbedingte Kündigung auch darauf gestützt werden, dass der Arbeitnehmer schuldhaft seine Alkoholabhängigkeit herbeigeführt hat.

Die Darlegung und der Beweis dieser Behauptung werden jedoch dem Arbeitgeber, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, grundsätzlich erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Denn juristisch gibt es keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Alkoholabhängigkeit in der Regel selbstverschuldet ist.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1989 ein solches Selbstverschulden angenommen, als ein Arbeitnehmer nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und anschließend längerer Abstinenz wieder rückfällig wurde.

Ob allerdings heute diese Rechtsprechung noch vom Bundesarbeitsgericht aufrecht erhalten bleibt, erscheint angesichts der kritischen Stimmen in der Literatur als fragwürdig.

Es wird jedenfalls bei einem Rückfall nach einer Entziehungskur auf die Ursachen der erneuten Erkrankung angekommen.

c) Fehlende Therapiebereitschaft

Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt bei feststehender Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit auch dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nicht therapiebereit ist.

Denn die fehlende Therapiebereitschaft bedeutet keinen Verstoß gegen eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Die Durchführung einer Therapie ist vielmehr eine dem Arbeitnehmer im eigenen Interesse nahezulegende Obliegenheit. Kommt er ihr nicht nach, ist dies (lediglich) im Rahmen der krankheitsbedingten Kündigung zu berücksichtigen.

Auch ein therapiefähiger Arbeitnehmer kann ebenso wie ein Arbeitnehmer, der nicht die Einsicht besitzt, alkoholabhängig zu sein, nur personenbedingt gekündigt werden.

 

3. Krankheitsbedingte Kündigung bei Alkoholabhängigkeit

Grundsätzlich kann bei einer Alkoholabhängigkeit daher lediglich eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

Hierbei muss der Arbeitgeber eine negative Prognose im Prozess darlegen und beweisen, wonach der Arbeitnehmer seine Alkoholabhängigkeit nicht überwinden können wird. Außerdem wird diesbezüglich vom Gericht noch eine Interessenabwägung durchgeführt.

a) Gesundheitsprognose

An diese negative Prognose werden erhebliche Anforderungen gestellt. Diese wird wesentlich davon bestimmt, in welchem Stadium der Sucht sich der Arbeitnehmer befindet, in welcher Weise sich frühere Therapien auf den Zustand des Arbeitnehmers ausgewirkt haben, ob er vor Ausspruch der Kündigung therapiebereit war und ob eine solche Therapie aus medizinischer Sicht eine gewisse Erfolgsaussicht hat.

Der Arbeitgeber ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, dem Arbeitnehmer zunächst die Durchführung einer Entziehungskur zu ermöglichen.

b) Interessenabwägung

Im Rahmen der Interessenabwägung kann auf ein etwaiges Verschulden des Arbeitnehmers eingegangen werden.

Private Schicksalsschläge als mögliche Ursache der Alkoholsucht können nicht als Entschuldigung berücksichtigt werden, da der Arbeitgeber hierfür keine Verantwortung trägt.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist – stärker als bei sonstigen Erkrankungen – auch zu berücksichtigen, dass gerade Süchtige in besonderem Maße eines möglichst intakten sozialen Umfeldes bedürfen, um überhaupt eine Chance zu haben, sich von der Sucht zu befreien.

Ist der betroffene Arbeitnehmer ernsthaft therapiebereit und verspricht eine solche Therapie wenigstens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Erfolg, so sind dem Arbeitgeber auch für längere Zeit Überbrückungsmaßnahmen zuzumuten, um so den Therapieerfolg nicht zu gefährden.

Allerdings muss der Arbeitgeber dann nicht das Ergebnis der Therapie abwarten, wenn zwingende betriebliche Gründe vorliegen, den Arbeitsplatz auf Dauer anders zu besetzen, z.B. weil der Einsatz von Springern oder die Einstellung und Einarbeitung zusätzlicher Hilfskräfte auf Zeit nicht möglich ist.

 

4. Bloßer Alkoholmissbrauch oder krankhafte Alkoholabhängigkeit

Bestehen für den Arbeitgeber Zweifel, ob bloßer Alkoholmissbrauch oder krankhafte Alkoholabhängigkeit vorliegt, sollte er zur Klärung der Notwendigkeit einer Abmahnung/verhaltensbedingten Kündigung (bei Alkoholmissbrauch) bzw. der Therapiebereitschaft des Arbeitnehmers (bei Alkoholabhängigkeit) vor Ausspruch der Kündigung ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer führen.

Bestreitet der Arbeitnehmer bei dieser Gelegenheit seiner Abhängigkeit, kann er sich später nicht mehr ohne Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) darauf berufen, der Arbeitgeber habe ihm keine Therapiemöglichkeit eröffnet. Durch ein solches Bestreiten oder gar Verheimlichen seiner Abhängigkeit gibt der Arbeitnehmer nämlich zu erkennen dass er nicht therapiebereit ist.

Ein klärendes Gespräch sollte vor Ausspruch der Kündigung auch dann gesucht werden, wenn Zweifel daran bestehen, ob Fehlzeiten des Arbeitnehmers überhaupt eine alkoholbedingte Ursache haben.

 

II. Kündigung wegen Entzugs der Fahrerlaubnis

Benötigt der Arbeitnehmer für die Berufsausübung einer Fahrerlaubnis, besteht bei deren Entzug grundsätzlich ein personenbedingter Kündigungsgrund.

 

Die Kündigung ist nur dann unwirksam, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz erfolgen kann.

 

III. Frage nach Alkoholabhängigkeit oder Alkoholgewohnheiten beim Einstellungsgespräch

1. Frage nach Alkoholabhängigkeit

Nach einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit darf der Arbeitgeber grundsätzlich fragen, weil von der Abhängigkeit jedenfalls Auswirkungen auf die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu erwarten sind und in vielen Fällen auch die persönliche Eignung und/oder die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr gewährleistet sein können. Dies gilt insbesondere dann, wenn gefährliche Arbeiten ausgeführt werden müssen oder ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht.

2. Frage nach privaten Alkoholgewohnheiten

Der Alkoholgenuss während der Freizeit ist grundsätzlich der Privatsphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen. Entsprechende Fragen des Arbeitgebers würden einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstellen. Dies gilt auch für Fragen im Hinblick auf sonstigen Drogenkonsum.

Daher sind solche Fragen grundsätzlich unzulässig. Diese darf der Arbeitnehmer daher bewusst wahrheitswidrig beantworten.

Ausnahmsweise kann eine solche Frage jedoch dann zulässig sein, wenn der Alkohol- oder Drogenkonsum spürbare Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zeigt.

Die bloße Möglichkeit, dass privater Alkohol- oder Drogenkonsum auch am Arbeitsplatz fortgesetzt werden könnte, rechtfertigt eine solche Frage nicht.

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