Steuerfahnder darf in Zivilprozess als Zeuge aussagen

Die Ge­neh­mi­gung zur Aus­sa­ge als Zeuge in einem zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­pro­zess darf der Dienst­herr nicht des­halb ver­sa­gen, weil der Be­am­te wegen des Ein­sat­zes als Steu­er­fahn­der vor­aus­sicht­lich auch in einem Straf­ver­fah­ren zu dem­sel­ben Sach­ver­halt aus­sa­gen muss. Das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung gehe grund­sätz­lich dem In­ter­es­se an der Ge­heim­hal­tung vor, ent­schied das Ver­wal­tungs­ge­richt Mainz in einem jetzt be­kannt ge­wor­de­nen Be­schluss.

 

Streit um Schadensersatzansprüche gegen Beratungsgesellschaft

Der Beamte war im konkreten Fall als Steuerfahnder in einem Ermittlungsverfahren unter anderem gegen die antragstellende Einzelperson eingesetzt, die vor einem Zivilgericht die Feststellung von Schadensersatzansprüchen gegen eine Beratungsgesellschaft verfolgt. Das steuerliche Ermittlungsverfahren gegen die Einzelperson ist mittlerweile weitgehend abgeschlossen und soll in einen Abschlussbericht an die zuständige Staatsanwaltschaft führen.

Dienstherr verweigerte Genehmigung

Der Richter des Zivilgerichts beantragte bei dem Dienstherrn des Beamten die Erteilung einer Genehmigung zur Aussage als Zeuge. Der Dienstherr versagte die Genehmigung insbesondere unter Hinweis darauf, dass Aussagen des Steuerfahnders im Zivilprozess zu Anpassungen von Zeugenaussagen und in der Verteidigungsstrategie im zu erwartenden Strafprozess mit teilweise identischen Beweisthemen führen könnten. Der Antragsteller beantragte daraufhin den gerichtlichen Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Verpflichtung des Dienstherrn, dem Beamten die Aussagegenehmigung für eine Zeugenaussage in dem bei dem Zivilgericht anhängigen Klageverfahren zu erteilen. Das Verwaltungsgericht gab dem Eilantrag statt.

Aussage muss öffentliche Aufgaben ernstlich gefährden

Für Beamte gelte zwar die gesetzliche Pflicht der Verschwiegenheit über ihnen anlässlich ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordene dienstliche Angelegenheiten. Ohne Genehmigung dürften sie über solche Angelegenheiten weder vor Gericht noch außergerichtlich Aussagen oder Erklärungen abgeben. Nach der einschlägigen gesetzlichen Regelung dürfe die Genehmigung zur Zeugenaussage aber nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereite oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.

Interesse an der Wahrheitsfindung geht vor

Aus dieser Formulierung folge, dass dem Interesse an der Wahrheitsfindung grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Interesse an der Geheimhaltung eingeräumt werde. Gewichtige, der Zeugenaussage nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens entgegenstehende Hinderungsgründe habe der Antragsgegner hier jedoch nicht vorgebracht. Insbesondere habe er nicht näher belegt, dass die Zeugenschaft des Steuerfahnders im Zivilprozess zu einer ernstlichen Gefährdung oder erheblichen Erschwerung des Strafverfahrens führe. Es könne nicht von vornherein angenommen werden, dass Zeugen eines Prozesses ihre Bekundungen wahrheitswidrig an Aussagen aus anderen Verfahren ausrichteten.

Umstand der Aussage kann in strafrechtliche Beweiswürdigung einfließen

Der Umstand der vorherigen Aussage des Steuerfahnders im Zivilprozess und das Bekanntwerden seiner Angaben bei den Angeklagten und den potentiellen Zeugen im Strafprozess könne vielmehr in die Beweiswürdigung des Strafgerichts einfließen. Es unterliege der strafgerichtlichen Beweiswürdigung, ob Zeugenaussagen angepasst erscheinen und deshalb unglaubhaft seien. Auch eine eventuelle Verteidigungsstrategie im Strafverfahren sei im Lichte der im Voraus bekannt gewordenen Aussage des Beamten durch das Strafgericht zu bewerten. Dass die Aussage des Steuerfahnders die Wahrheitsfindung im strafgerichtlichen Verfahren massiv beeinträchtige oder gar unmöglich mache, könne aufgrund der Darstellungen des Antragsgegners nicht festgestellt werden (Beschl. v. 29.04.2021 - 4 L 294/21.MZ).

 

Quelle: vgmz.justiz.rlp.de

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