Ein vor­läu­fi­ges fak­ti­sches Be­rufs­ver­bot für einen Arzt darf nur ver­hängt wer­den, wenn es er­for­der­lich ist, um eine kon­kre­te Ge­fahr für ein wich­ti­ges Rechts­gut ab­zu­weh­ren.

Eine noch nicht rechts­kräf­ti­ge Ver­ur­tei­lung wegen lang­jäh­ri­gen Ab­rech­nungs­be­trugs ge­fähr­det laut Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt das Ver­trau­en der Be­völ­ke­rung in die Ärz­te­schaft nicht. Weder be­rüh­re dies das Arzt-Pa­ti­en­ten-Ver­hält­nis noch werde die me­di­zi­ni­sche Kom­pe­tenz des Me­di­zi­ners in Frage ge­stellt.

 

Anklage wegen Abrechnungsbetrugs

Ein Facharzt für Allgemeinmedizin wurde beschuldigt, sechs Jahre lang in rund 550 Fällen Beihilfe zur Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) geleistet und damit den Erhalt unberechtigter Leistungen von Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung im Umfang von mehr als 800.000 Euro gefördert zu haben. Nach Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ordnete die Bezirksregierung Köln das vorläufige Ruhen seiner Approbation bis zum Abschluss des Strafverfahrens an. Der Mediziner wehrte sich dagegen zunächst erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Köln, seine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster aber war erfolgreich. Die Bezirksregierung Köln wandte sich an das Bundesverwaltungsgericht - ohne Erfolg.

Grundsätzliche Eignung des Vorwurfs für Approbationsentzug 

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung (BÄO) kann das Ruhen angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses nach § 203 StPO seien diese Voraussetzungen unproblematisch gegeben gewesen, weil er nur bei hinreichendem Verdacht erlassen werde. Ein langjähriger Abrechnungsbetrug habe nach Art, Schwere und Anzahl auch das Potenzial, einen Widerruf der Approbation zu begründen.

Keine konkrete Gefahr für ein wichtiges Gemeingut

Das OVG hat aus Sicht der Bundesrichter aber zutreffend die Grundrechte des Allgemeinmediziners berücksichtigt, wie sie im Urteil vom 10.09.2020 befanden: Das vorläufige Ruhen der Approbation dürfe nur angeordnet werden, um konkrete Gefahren für ein wichtiges Gemeingut abzuwehren, die bis zum endgültigen Strafurteil drohten. Wegen der irreparablen Folgen des vorläufigen Ruhens, wie dem Verlust seines Patientenstamms oder der Kündigung etwaiger Kreditlinien, seien die Anforderungen dieselben wie für die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das Oberverwaltungsgericht hatte eine Wiederholungsgefahr verneint: Angesichts der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und der drohenden berufsrechtlichen Konsequenzen sei zumindest bis zum Verfahrensabschluss mit dem Wohlverhalten des Arztes zu rechnen. Eine konkrete Gefahr für das Vertrauen der Bevölkerung in die Ärzteschaft durch eine weitere Berufsausübung sei zu verneinen, weil die vorgeworfenen Straftaten weder das unmittelbare Arzt-Patienten-Verhältnis berührten noch seine medizinische Kompetenz in Frage stellten (Urt. v. 10.9.2020 - 3 C 13.19). 

 

Quelle:NVWZ

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