Steuerschulden im Falle einer Steuerhinterziehung durch den Erblasser stellen Nachlassverbindlichkeiten nur im Umfang der tatsächlich festgesetzten Steuer dar und nicht der materiell zutreffenden Steuer.

BFH, Urteil vom 28.10.2015 – II R 45/13

  1.  Sachverhalt
    Die Beteiligten streiten um die Höhe der anzurechnenden Nachlassverbindlichkeiten. Die Klägerin und Revisionsbeklagte ist die Tochter der verstorbenen Erblasserin, welche Konten in Luxemburg führte und diese nicht bei der Einkommensteuererklärung angab. Das Amtsgericht stellte einen Erbschein an den zwischenzeitlich verstorbenen Bruder der Erblasserin und den Sohn der Klägerin zu je ½ aus. Der Klägerin selber stand ein Vermächtnis in Höhe von 20 % an dem Erbteil des Bruders der Erblasserin zu. Nachdem der Sohn Strafanzeige gegen den Bruder und den Lebensgefährten der Erblasserin erstattete, deklarierte er die nicht versteuerten Zinseinkünfte der Jahre 1993 bis 2002 nach. Hierbei einigte er sich im Wege einer tatsächlichen Verständigung mit dem Finanzamt über die Höhe der Kapitalerträge. Die der tatsächlichen Verständigung beigefügten Anlagen wiesen Beträge aus, die teilweise ohne eine Währungskennzeichnung erfolgten.

Das Finanzamt (FA) ging fälschlicherweise von Deutsche Mark-Beträgen aus und rechnete diese zugunsten der Erben in Euro-Beträge um und setzte dementsprechend in den Änderungsbescheiden die Einkommensteuer und die sich daraus ergebenden Zinsen zu niedrig fest. Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 23.12.2011 berücksichtigte sodann das FA bei der Berechnung des Steuerwerts des Vermächtnisses diese zu niedrig festgesetzten Steuern und Zinsen. Dagegen richtete sich die nach erfolglosem Einspruchverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin – nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer – erstmalig geltend machte, als Nachlassverbindlichkeiten seien die materiell zutreffenden Steuerverbindlichkeiten und nicht die tatsächlich festgesetzte Steuer abzuziehen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und berücksichtigte die materiell zutreffende Steuer bei der Berechnung des Steuerwerts des Vermächtnisses. Hiergegen legte das FA die Revision ein.


  1.  Entscheidungsgründe
    Die Revision ist begründet. Der Bundesfinanzhof (BFH) stellt fest, dass das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Steuerwert des Vermächtnisses der Klägerin durch die materiell-rechtlich zutreffenden Steuernachforderungen gemindert sei.
    Eine Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten setzt zum einen voraus, dass die Steuerschulden im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits entstanden waren und zum anderen nach dem in § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG niedergelegten Bereicherungsprinzip eine wirtschaftliche Belastung des Erben. Von einer wirtschaftlichen Belastung ist bei Steuerschulden des Erblassers im Allgemeinen auszugehen, da die Finanzbehörden die entstandenen Steueransprüche aufgrund des Legalitätsprinzips festsetzen muss und auch grundsätzlich festsetzt. Anders ist es aber, wenn davon auszugehen ist, dass das FA, also der Steuergläubiger, seine Forderung nicht geltend machen kann, weil ihm der entsprechende Sachverhalt nicht bekannt ist. Dies ist bei einer Steuerhinterziehung der Fall, da der Hinterzieher dem FA die Möglichkeit nimmt, von den tatsachenbegründenden Umständen für die Festsetzung der Steueransprüche zu erfahren. Nach der früheren Rechtsprechung des BFH konnten zwar die Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, wenn das FA zeitnah über die Steuerangelegenheiten unterrichtet wurde. In diesem Fall ließ man eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer zu. Hiervon nimmt der BFH aber in seinen Urteil Abstand. Eine Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten bei vom Erblasser hinterzogenen Steuern ist nur dann möglich, wenn sie zu Lebzeiten des Erblassers tatsächlich festgesetzt worden sind oder aufgrund des zu Lebzeiten des Erblassers nacherklärten Sachverhalts festgesetzt werden. Bei einer nach dem Tod des Erblassers erfolgten Unterrichtung des FA, handelt es sich um einen nach dem Bewertungsstichtag eingetretenen Ereignisses, das nach dem Stichtagsprinzip gemäß § 11 ErbStG bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht berücksichtigt werden kann.
    Die Entscheidung des BFH steht in einem gewissen Wertungswiderspruch zu der Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 2, wonach dem Gesamtrechtsnachfolger des Steuerpflichtigen eine Pflicht zur Berichtigung falscher oder unvollständiger Steuererklärung auferlegt wird. Im Revisionsverfahren ging es zwar nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge, da der Vermächtnisnehmer leidglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den bzw. die Erben hat. Die Überlegungen des BFH müssten auch für den Erben gelten, da sie auf dem allgemeinen Stichtagsprinzip beruhen. Ein Erbe wäre mithin verpflichtet, die Steuererklärungen des Erblassers zu berichtigen und die wirtschaftliche Belastung aus seinem ererbten und versteuerten Vermögen zu begleichen.  

Unterrichtet der Erbe das zuständige Finanzamt nach dem Tod des Erblassers über die Steuerangelegenheit, handelt es sich um ein nach dem Bewertungsstichtag eingetretenes Ereignis, das nach dem Stichtagsprinzip (§ 11 ErbStG) bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht berücksichtigt werden kann. Ob die Unterrichtung früher oder später erfolgt, wirkt sich auf die mit dem Tod des Erblassers eingetretene Bereicherung des Erben nicht aus, sondern nur, ob die Steuer auch tatsächlich festgesetzt wird und der Erbe durch die Steuerfestsetzung wirtschaftlich belastet ist. Soweit der BFH im Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97 etwas anderes erwogen hat, hält er daran nicht fest.

 

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