Erbrechtlicher Vortrag zum Mandantenseminar 2015

 

 

Gestaltung der Vermögensnachfolge –

 

Rechtsanwalt Dr. Jens Sebastian Groh

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

 

 

A. Einleitung

Das deutsche Erbrecht sieht mit dem Pflichtteilrecht eine zwingende Beteiligung der Eltern, Kinder und des Ehegatten an dem Erbe vor. Der Pflichtteilberechtigte ist zwar nicht dinglich an der Erbschaft beteiligt und damit nicht Eigentümer. Im steht aber ein schuldrechtlicher Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages zu. Es stellt sich daher die Frage, wie derartige Ansprüche vermieden oder reduziert werden können.

 

 

B. Wechsel des Güterstandes

Durch den Wechsel des Güterstands von der Gütertrennung zum Güterstand der Zugewinngemeinschaft (gesetzlicher Normalfall) lassen sich u.U. Pflichtteilansprüche von Abkömmlingen und Eltern des Erblassers verringern. Dies ist insbesondere bei Unternehmern interessant, die im Güterstand der Gütertrennung leben.

 

Grund ist folgender: Die Erbquote des Ehegatten ist im gesetzlichen Güterstand oft größer, als die Erbquote des Ehegatte, der in Gütertrennung mit dem Erblasser lebt. Diese Erbquote wirkt sich aber erheblich auf die Pflichtteilansprüche der Kinder und Eltern aus, da an diese nur der "Rest" vererbt wird.

 

Beispiel:

Ein in Gütertrennung lebendes Ehepaar hat drei Kinder. Ein Kind soll enterbt werden.

gesetzlichen Erbquoten:

Jedes Kind: 1/4

Ehegatte: 1/4

Pflichtteilanspruch eines enterbten Kindes: 1/8 = 12,5 %

 

Wechselt der Erblasser in die Zugewinngemeinschaft, so erhöht sich der Erbteil der Ehefrau.

gesetzliche Erbquoten

Jedes Kind: 1/6

Ehegatte: 1/2

Pflichtteilanspruch eines enterbten Kindes: 1/12 = 8,33 %

 

Durch eine Änderung des Güterstandes lässt sich damit der Pflichtteil deutlich reduzieren.

 

 

C. gesetzlicher Voraus

Wird nicht testiert und tritt gesetzliche Erbfolge ein, so erhält der überlebende den Hausrat als Voraus, § 1932. Dieser bleibt nach § 2311 BGB bleibt bei der Berechnung der Pflichtteilansprüche von Abkömmlingen außer Ansatz. Diese Vorschrift aber kommt nur zur Anwendung, wenn der Ehegatte gesetzlicher Erbe wird!

 

 

D. Gründung einer GbR; Gründung einer Ehegatteneigenheimgesellschaft

Zur Vermeidung von Pflichtteilansprüchen kann mit dem Ehegatten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (GbR) gegründet werden. Das Vermögen wird dann in die Gesellschaft eingelegt (z.B. Hausgrundstück).

 

Sind die Gesellschafter an dem einzulegenden Vermögen im selben Maße beteiligt, wie an der gegründeten Gesellschaft, liegt keine Schenkung vor. Schenkungssteuer fällt dann nicht an. Da Aufgabe der Gesellschaft nur die Verwaltung eigenen Vermögens ist, liegt keine gewerbliche Tätigkeit vor, so dass auch keine Gewerbesteuer ist.

 

Im Rahmen des Gesellschaftsvertrages wäre dann zu regeln, wem die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zusteht. Des Weiteren ist u.U sicherzustellen, dass die Gesellschaft nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden kann. Andernfalls könnte jeder Gesellschafter kündigen, mit der Folge, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet und eine Abfindung verlangen kann.

 

Für den Fall des Todes sieht ein solcher Gesellschaftsvertrag dann vor, dass der Verstorbene aus der Gesellschaft ausscheidet. Für diesen Fall ist eine Regelung zu treffen, ob die Erben des Ausscheidenden abgefunden werden sollen. Grundsätzlich kann für solche Fälle dann die Abfindung ausgeschlossen werden.

 

Der Ausschluss der Abfindung für den nicht nachfolgeberechtigten Erben eines verstorbenen Gesellschafters ist nach allgemeiner Ansicht wirksam, da der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den übrigen Mitgesellschaftern durch die gesellschaftsvertragliche Regelung selbst zugewandt ist und damit nicht mehr in den Nachlass fällt; zivilrechtlich ist eine solche Vereinbarung, wenn Sie bei gleichen Risiken und Chancen für alle Gesellschafter gilt, nach der Rechtsprechung des BGH als entgeltlich und damit nicht als Schenkung zu werten, so dass Pflichtteilergänzungsansprüche nicht entstehen. Kurz gesagt: Versterbenden ein Gesellschafter, so wächst dem anderen Gesellschafter automatisch der Gesellschaftsanteile an. Sind keine weiteren Gesellschafter als vorhanden, so wird die Gesellschaft beendet. Das Grundvermögen geht dann ohne weiteren Übertragungsakt von der GbR auf den letzten Gesellschafter über. Pflichtteilansprüche können so vermieden werden (vgl. BGHZ 22,194).

 

Eine andere Beurteilung ergibt sich allerdings dann, wenn der Abfindungsausschluss nicht für alle Gesellschafter gilt, oder bereits der Gesellschaftsanteil des Mitgesellschafters geschenkt wurde oder die Beteiligten bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages subjektiv von unterschiedlichen Lebenserwartungen ausgegangen waren (BGH NJW 1981, 1956). In diesen Fällen handelt es sich um eine durch Übertragung der Anwartschaft noch unter Lebenden vollzogene Schenkung, soweit sich nicht die Entgeltlichkeit des Abfindungsausschlusses aus Vorgängen im Zusammenhang mit der Aufnahme der betreffenden Regelung in den Gesellschaftsvertrag ergibt (BGH WM 1971, 1339).

 

 

E. Pflichtteilverzicht und Erbverzicht

Durch den Pflichtteilverzicht eines Erben werden Pflichtteilansprüche ausgeschlossen. Der Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung, § 2348 BGB.

Bei einem Pflichtteilverzicht kann der Verzichtende noch als Erbe eingesetzt werden.

 

Vorsicht ist bei einem Erbverzicht geboten. Durch einen Erbverzichtsvertrag erhöhen sich die Pflichtteilansprüche der anderen Pflichtteilberechtigten, da gemäß § 2310 BGB Personen, die auf ihren Erbteil verzichtet haben, bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgebenden Erbteils nicht mitgezählt werden.

 

 

E. Pflichtteilentziehung

Die Hürden, für eine Pflichtteilentziehung sind denkbar hoch. § 2333 BGB stellt hierfür folgende Voraussetzungen auf:

 

Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling

1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,

2. sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,

3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder

4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb dem Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.

 

In den meisten Fällen dürften diese Voraussetzungen nicht gegeben sein. Sollte die Voraussetzungen jedoch erfüllt sein, ist § 2336 BGB zu beachten. Die Pflichtteilentziehung erfolgt ebenfalls durch Testament. Außerdem muss der Grund für die Entziehung in der Verfügung von Todes wegen angegeben werden.

 

 

F. Vorweggenommen Erbfolge; Zuwendung unter Lebenden

I. Schenkungen an den Pflichtteilberechtigten

Sind pflichtteilberechtigte Personen nicht als Erben vorgesehen sind, sollten Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers unter der Auflage erfolgen, dass die Schenkung auf den Pflichtteil anzurechnen ist, § 2315 BGB. In der Folge sinkt die gesetzliche Erbquote des Pflichtteilberechtigten und damit sein Pflichtteilanspruch

 

Beispiel (Nach Thoma ZEV 2003, 278):

E hinterlässt als einzige Pflichtteilberechtigte seine Kinder A und B; Erbe ist der familienfremde X. Der Nachlasswert beträgt 50 000 € . A muss sich Vorschenkungen mit Anrechnungsklausel i. H. von 10 000 € , B i. H. von 6 000 € auf den Pflichtteil anrechnen lassen.

Pflichtteil A: (50 000 € + 10 000 € ) : 4 ./. 10 000 € = 5 000 €

Pflichtteil B: (50 000 € + 6 000 € ) : 4 ./. 6 000 € = 8 000 €

Ohne die Anrechnungsbestimmung hätte der Pflichtteil von A und B jeweils 12.500 €  betragen.

 

Formulierungsvorschlag nach Winkler (ZEV 2005, 92):

"Ich, , verspreche, meinem Sohn … einen Geldbetrag i. H. von … Euro zu schenken. Die Schenkung wird vollzogen durch Überweisung des Geldbetrags auf folgendes Konto meines Sohnes bei der …Bank, Kontonummer … Mein Sohn … hat sich den Wert der Zuwendung i. H. von … Euro auf evtl. Pflichtteil- und Pflichtteilergänzungsansprüche nach meinem Tod anrechnen zu lassen."

 

II. Schenkungen an Dritte

Möglich ist es auch, Vermögensgegenstände an Dritte im Wege der Schenkung zu übertragen, § 516 BGB. Folge ist aber, dass dem Pflichtteilberechtigten ein Pflichtteilergänzungsanspruch nach § 2325 BGB zusteht.

 

Fazit: Durch die Schenkung als solche wird der Pflichtteil noch nicht reduziert, obwohl der Vermögensgegenstand nicht mehr im Vermögen des Erblassers enthalten ist. Der Anspruch richtet sich sowohl gegen die Erben, als auch gegen den Beschenkten.

 

Aber: Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sofern nach der Zuwendung zehn Jahre verstrichen sind, wird die Schenkung daher nicht mehr berücksichtigt

 

Achtung: Um Missbrauch zu verhindern, soll eine Schenkung nach 2325 III BGB nach der Rechtsprechung des BGH erst vorliegen, wenn der Erblasser den Gegenstand nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich aus seinem Vermögen ausgegliedert hat. Wird etwa ein Grundstück übertragen und gleichzeitig die Nutzung (Nießbrauch) mit eventuellem Widerrufsrecht vorbehalten, beginnt die Frist überhaupt nicht zu laufen.

 

III. Exkurs: Schenkungsteuerfreie Übertragung von Vermögen auf Ehegatten:

Wechseln Ehegatten während der Ehe in den Güterstand der Gütertrennung, entsteht u.U. ein Zugewinnausgleichanspruch. Wird dieser ausgeglichen, kann hierdurch schenkungsteuerfrei Vermögen von einem Ehegatten auf den anderen übertragen werden. Wer als Unternehmer in Bezug auf seine Unternehmensbeteiligung für den Scheidungsfall hohe Zugewinnausgleichforderungen seines Ehegatten fürchtet, kann eine modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbaren.

 

 

G. Verlagerung von Vermögen ins Ausland

Die Verlagerung von Vermögen ins Ausland führt zunächst nicht zu einer Reduzierung des Pflichtteils.

 

I. Grundsatz:

Bislang richtete Grundsätzlich richtet sich die erbrechtliche Behandlung des Nachlasses nach dem Heimatrecht des Erblassers, Art. 25 EGBGB. Seit dem 17.08.2015 gilt die EU Erbrechtsverordnung. Nun ist der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers entscheidend für die Frage, welches Recht Anwendung findet. Hatte der Erblasser seinen letzten Gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so unterfällt das gesamte Vermögen, auch das im Ausland belegene, der Erbfolge nach deutschem Recht.

 

II. Ausnahme

Dieser Grundsatz erfährt eine wichtige Ausnahme in Art. 3 EGBGB. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Nachlasszugehörigkeit nach dem für die jeweiligen Vermögenspositionen maßgeblichen Recht. Dadurch können für unterschiedliche Nachlassgegenstände unterschiedliche Rechtsordnungen gelten (sog. Nachlassspaltung).

 

Der wichtigste Anwendungsfall sind Immobilien. Soweit Immobilien in einem Staat belegen sind, der keine Pflichtteilsrechte kennt, sind diese Immobilien von der Pflichtteilsbemessungsgrundlage nach deutschem Recht ausgenommen.

 

Beispiel:

In den USA haben erwachsene Kinder kein Pflichtteilsrecht (vgl. Böhmer, ZEV 1998, 251). Aber: Die meisten Staaten sehen eine Minimalbeteiligung an dem Erbe für nahe Angehörige (Kinder, Ehegatten, Eltern) vor.

 

 

H. Literatur:

Thoma: Maßnahmen zur Reduzierung des Pflichtteilsrisikos, ZEV 2003, 278

Mohr: Ausgleichung und Anrechnung bei Schenkungen, ZEV 1999, ZEV 1999, 257

Klinger, Konrad: Reduzierung des Pflichtteilsrisikos mittels lebzeitiger Zuwendungen, NJW-Spezial 2007, 301

Jülicher, Klinger: Reduzierung des Pflichtteilsrisikos mittels letztwilliger Verfügung, NJW-Spezial 2007, 157

Herrler: Strategien zur Minimierung des Pflichtteils, JA 2007, 120

Winkler: Unternehmensnachfolge und Pflichtteilsrecht - Wege zur Minimierung des Störfaktors „Pflichtteilsansprüche”, ZEV 2005, 89

Gehse: Grundstücksübergabe und Pflichtteilsergänzungsansprüche bei vorbehaltenen Rechten des Übergebers, RNotZ 2009, 361

Hölscher: Der gesellschaftsrechtliche Abfindungsausschluss in der erbrechtlichen Gestaltung: Wirksames Instrument zur Pflichtteilsreduzierung? ZEV 2010, 609

Worm: Pflichtteilserschwerungen und Pflichtteilsstrafklauseln RNotZ 2003, 535

 

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