Arbeitsrechtlicher Vortrag zum Mandantenseminar 2014

 

Rechtsanwalt Udo Barg
Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

A. Einführung

Bei Schlechtleistungen des Arbeitnehmers herrscht Unsicherheit über die Anforderungen an die Qualität der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung. So wird ganz überwiegend die Ansicht vertreten, der Arbeitnehmer schulde aufgrund des höchstpersönlichen Charakters der Arbeitsleistung gem. § 613 BGB nur eine seinen individuellen Fähigkeiten entsprechende Leistung.

 

B. Die Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis

Der Arbeitsvertrag stellt einen Unterfall des Dienstvertrages nach § 611 BGB dar.

Demnach schuldet der Arbeitnehmer nur eine Tätigkeit und nicht wie im Falle des Werkvertrages i. S. d. § 631 BGB einen bestimmten Erfolg. Die Arbeitspflicht ist höchstpersönlicher Natur und nicht übertragbar (§ 613 BGB). Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist die Arbeitspflicht. Diese wird im Arbeitsvertrag in der Regel nur allgemein umschrieben.

Es obliegt daher dem Arbeitgeber, kraft seines Direktionsrechts – innerhalb der von Arbeitsvertrag, Gesetz und Kollektivvereinbarungen gezogenen Grenzen – Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen (§ 106 GewO).

Da der Arbeitnehmer keinen bestimmten Erfolg schuldet, sondern nur verpflichtet ist, eine vereinbarte Tätigkeit auszuführen, ist der Inhalt der Arbeitspflicht näher zu spezifizieren. Dabei sind zwei Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung: die »Dauer« der Arbeit, also ihr zeitlicher Umfang, und die »Intensität« der Arbeitsleistung, also Qualität, Quantität und Arbeitstempo.

Die Arbeitszeit wird grundsätzlich im Arbeitsvertrag vereinbart (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 NachwG) und ist eine objektiv messbare Größe. Umstritten ist hingegen, welche Anforderungen an die »Intensität« der Arbeitsleistung zu stellen sind.

 

Den Arbeitnehmer treffen zudem Nebenpflichten, z.B. die Pflicht zur Verschwiegenheit oder zum Unterlassen von Wettbewerb.

 

C. Die Schlechtleistung als Leistungsstörung des Arbeitsverhältnisses

 

I. Begriff der Schlechtleistung

Unter den Begriff der Schlechtleistung werden im Wesentlichen die Fälle zusammengefasst, in denen der Arbeitnehmer zwar seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nachkommt, aber eine mit Mängeln behaftete Leistung erbringt. Dies ist z.B. gegeben, wenn sich die Sekretärin beim Abtippen eines Briefes verschreibt oder der technische Zeichner fehlerhafte Zeichnungen anfertigt. Eine Schlechtleistung liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer Nebenpflichten verletzt, indem er etwa die ihm überlassenen Geräte oder Arbeitsmaterialien beschädigt.

 

II. Der Maßstab für die Arbeitnehmerpflichten

Eine Schlechtleistung hinsichtlich der Hauptpflicht des Arbeitnehmers liegt vor, wenn der Arbeitnehmer diese Leistung nicht wie geschuldet erbringt.

Was geschuldet ist, ergibt sich im Einzelnen aus dem Arbeitsvertrag.

Hinsichtlich der Arbeitsintensität, die der Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner Hauptpflicht aufzubringen hat, ist von einem individuellen Maßstab auszugehen. Demzufolge ist für die Beurteilung, ob der Arbeitnehmer seine Hauptpflicht ausreichend erfüllt hat, allein das persönliche, individuelle Leistungsvermögen des konkreten Arbeitnehmers maßgeblich.

Dies gilt in gleichem Maße auch im Hinblick auf die Arbeitsqualität.

Entscheidend für eine der Hauptleistungspflicht genügende und für diese ausreichende Arbeitsqualität ist zumindest, dass der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig und konzentriert, unter Gebrauch der ihm zur Verfügung stehenden Fertigkeiten ausübt.

 

D. Die Sanktionsmöglichkeiten bei Schlechtleistung des Arbeitnehmers

Wenn der Arbeitnehmer die zu erwartende objektive Durchschnittsleistung nicht erbringt, stehen dem Arbeitgeber durchaus Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung,

In Betracht kommen Schadensersatzansprüche sowie die Kündigung aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen.

 

I. Schadensersatz

 

1. Anspruchsgrundlage

Als Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei Schlechtleistungen des Arbeitsnehmers kommt § 280 Abs.1 BGB in Betracht. Bei Schlechtleistungen handelt es sich um eine positive Vertragsverletzung des Arbeitnehmers.

 

2. Pflichtverletzung

Der Arbeitnehmer muss seine Tätigkeit so verrichten, dass sie der durchschnittlichen Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer entspricht. Ausschlaggebend für die Feststellung einer Pflichtverletzung ist dabei ein Soll-Ist-Vergleich. Dabei ist die geschuldete (Durchschnitts-) Leistung mit der objektiv erbrachten Leistung zu vergleichen.

 

3. Verschulden

Sollte der Soll-Ist-Vergleich zu der Feststellung einer Pflichtverletzung führen, muss der Arbeitnehmer diese zu vertreten haben, d.h. die Pflichtverletzung muss entweder vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden.

 

4. Haftungserleichterung bei betrieblich veranlassten Schäden

Den erforderlichen Schutz des Arbeitnehmers vor ruinösen Schadensersatzverpflichtungen gewährleisten die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs.

Bei betrieblich veranlasster, abhängiger Tätigkeit haftet der Arbeitnehmer

 

a)

nur dann in voller Höhe, wenn er den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

 

b)

Für leichteste Fahrlässigkeit entfällt jede Haftung.

 

c)

Bei der dazwischen liegenden leichten und mittleren Fahrlässigkeit findet eine Schadensteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber statt.

Die dabei zu berücksichtigenden Kriterien wie Schadensgeneigtheit der Tätigkeit, Höhe des Schadens und des Arbeitsentgeltes, Lebensalter, Familienverhältnisse und Versicherbarkeit des Risikos lassen ausreichend Raum, um den schützenswerten Interessen des Arbeitnehmers angemessen Rechnung zu tragen.

 

II. Die Kündigung

Hinsichtlich einer Arbeitgeberkündigung als Reaktion auf Schlechtleistungen des Arbeitnehmers kommt bei Anwendbarkeit des KSchG sowohl die verhaltensbedingte, als auch die personenbedingte Kündigung in Betracht.

 

1. Verhaltensbedingte Kündigung

Die verhaltensbedingte Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn der Kündigungsgrund durch das »Verhalten des Arbeitnehmers« bedingt ist.

Dabei ist unter Verhalten jedes vom Willen gesteuerte Handeln zu verstehen.

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist mithin insbesondere in allen Fällen schuldhafter Verletzungen von Vertragspflichten einschlägig.

Hierzu reicht Fahrlässigkeit aus.

 

Eine Schlechtleistung, die ihren Grund in unterdurchschnittlichen physischen/psychischen Fähigkeiten des Arbeitnehmers hat, ist von diesem regelmäßig nicht zu vertreten.

Ohne Verschulden scheidet eine verhaltensbedingte Kündigung aus. Insofern kommt eine verhaltensbedingte Kündigung etwa von älteren Arbeitnehmern, deren Kräfte nachgelassen haben, auch dann nicht in Betracht, wenn die Leistungen unter das betriebliche Durchschnittsniveau gesunken sind.

 

2. Personenbedingte Kündigung

Wenn die Schlechtleistung nicht auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruht, scheidet eine verhaltensbedingte Kündigung aus. Es geht hier nicht darum, dass der Arbeitnehmer »nicht will«, sondern dass er »nicht kann«.

 

In diesem Fall kommt aber eine personenbedingte Kündigung in Betracht.

 

Diese kann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Sphäre liegen, aber nicht von ihm verschuldet sind, zur Erbringung der vertraglich vorausgesetzten Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist (Beispiel: mangelnde körperliche oder geistige Fähigkeit). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in diesem Zusammenhang nicht auf die Verletzung einer Vertragspflicht ab. Vielmehr komme es darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreite, dass diesem ein Festhalten an dem unveränderten Arbeitsvertrag unzumutbar werde.

 

Fraglich ist insoweit lediglich, welches Maß die Unterschreitung einer objektiv zu bestimmenden Normalleistung haben muss, damit dem Arbeitgeber ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Das BAG hat hierfür angeführt, dass dies jedenfalls bei einer Unterschreitung der Normalleistung um »ein Drittel« der Fall sei.

Diese Drittelgrenze ist zwar eine gegriffene Größe, aber insgesamt plausibel. Nur eine erhebliche Störung rechtfertigt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Würde man bereits geringfügige Störungen genügen lassen, würde man mit der gesetzlichen Wertung in Widerspruch geraten, dass der Arbeitnehmer bei Fehlleistungen keine Minderung des Entgelts befürchten soll. Wenn er die Kündigung befürchten müsste, wäre diese Entscheidung des Gesetzgebers entwertet. Dem Maßstab 1:3 korrespondiert, dass die Rechtsprechung bei einer Unterschreitung der Leistungen des Arbeitgebers um ein Drittel ebenfalls von einer erheblichen Störung des Äquivalenzverhältnisses ausgeht und Lohnwucher gemäß § 138 BGB annimmt.

 

Eine personenbedingte Kündigung setzt voraus, dass auch in Zukunft mit einer erheblichen Minderleistung zu rechnen ist (negative Zukunftsprognose). Die Kündigung aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, ist keine Sanktion für vergangene Störungen des Arbeitsverhältnisses.

 

Zudem darf kein milderes Mittel, etwa die Beschäftigung zu veränderten Vertragsbedingungen, in Betracht kommen. Der Arbeitgeber muss also zuerst prüfen, ob eine Änderungskündigung das gestörte Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung wieder herzustellen vermag.

Das mildere Mittel kann unter Umständen auch in einer Vergütungsreduzierung liegen.

 

Die bei jeder Kündigung erforderliche Interessenabwägung hat bei der personenbedingten Kündigung besonders sorgfältig zu erfolgen.

In diesem Rahmen ist insbesondere dem Schutz älterer, langjährig beschäftigter und unverschuldet – womöglich als Folge eines Arbeitsunfalls – erkrankter Arbeitnehmer Rechnung zu tragen.

 

III. Minderung der Vergütung?

Eine Minderung des Vergütungsanspruchs ist ausgeschlossen, da das Dienstvertragsrecht eine solche Sanktion nicht vorsieht.

In Betracht kommt allenfalls die Aufrechnung des Arbeitgebers mit einem Schadensersatzanspruch, doch fehlt es in aller Regel an einem Schaden.

 

Der Vergütungsanspruch gemäß § 242 BGB kann entfallen, wenn der Arbeitnehmer bewusst langsam oder schlecht arbeitet.

 

 

 

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